Flugangst ohne Seminar

Wer unter Flugangst leidet und diese bekämpfen möchte, zieht häufig als Erstes ein professionelles Seminar in Erwägung. Diese werden zum Beispiel von renommierten Airlines wie Lufthansa aber auch von Psychologen, Piloten oder Coaches angeboten. Mit Preisen von teils mehreren hundert Euro für ein Wochenendseminar ist dieses aber ein sehr kostspieliger Weg. Oft ist er jedoch gar nicht nötig.

Als ehemals Betroffene habe ich mich mit den unterschiedlichsten Möglichkeiten befasst und festgestellt, dass ein strukturierter eigener Weg genau so gut helfen kann. Bei vielen Menschen basieren die Ängste auf Unwissenheit und Horrorszenarien, die fernab jeglicher Realität sind. In diesem Fall müssen diese Ängste und Gedanken durch Aneignen von Wissen und ein langsames Herantasten an das Thema Flugzeuge abgebaut werden. Wenn ein Flugängstiger mit einem ausgefallenen Triebwerk direkt einen unvermeidbaren Absturz oder mit Turbulenzen abbrechende Tragflächen assoziiert, fehlt ihm in erster Linie das Wissen über Flugzeuge. Ähnlich ist es mit der Angst vor Bomben oder Anschläge im Flieger. Wer sich einmal genauer mit den Abläufen an einem Flughafen auseinandersetzt, wird irgendwann verinnerlichen, dass in dieser Hinsicht ein Flugzeug wohl eher einer der sichersten Orte ist. Nirgends wird so akribisch kontrolliert wie vor dem Gang in eine Passagiermaschine.

Wo und wie informiere ich mich zuverlässig?

In Zeiten des Internets gibt es unendlich viele Quellen mit Inhalten zum Thema Fliegen und Flugzeuge. Allerdings sollten diese gut sortiert werden, damit sie nicht am Ende die Angst eher schüren. Ein sehr guter Anlaufpunkt für Leute mit Flugangst ist die Seite „treffpunkt flugangst“. Diese Seite informiert nicht nur über Flugzeuge und das Fliegen. Sie hat auch ein kompetentes Forum, welches ich selber viel bei meinem Weg aus der Flugangst genutzt habe. Dort schreiben auch immer wieder fachkundige User mit. Das Portal selber bietet ebenfalls Seminare und auch Webinare an. Teils gibt es auch kostenlose Schnupperangebote und Informationsveranstaltungen. Lesen ist in dem Forum auch ohne eine Registrierung möglich. In vielen Unterforen finden sich Informationen zu verschiedenen Flugphasen, TV Tipps, technisches Wissen und Themen rund um Flugangst.

Neben Foren und diversen Internetseiten kann man seiner Flugangst auch mit entsprechender Literatur zu Leibe rücken. Wer verstehen möchte, wie und warum ein Flugzeug fliegt, dem empfehle ich das Buch „Warum sie oben bleiben“ von Jürgen Heermann. In gut verständlichem Stil vermittelt er technisches Wissen und Abläufe bei einem Flug. Auch Allen Carr widmet sich diesem Thema: „Endlich frei von Flugangst“ ist ein weiteres Buch, welches im Buchregal eines Flugängstigen nicht fehlen sollte. Meine persönlichen Erfahrungen und Tipps habe ich in meinem eigenen Buch „Mein Weg aus der Flugangst“ veröffentlicht.

Wem das reine Lesen zu langweilig ist, kann sich bei YouTube Abwechslung holen. Reportagen und auch Flugvideos bringen eine visuelle Annäherung an das Thema. Meiden sollte man allerdings reißerische Dokumentationen wie beispielsweise die „Mayday“ Reihe. Wie faszinierend fliegen sein kann und wie Piloten im Cockpit arbeiten, zeigen viele Filme von „piloteseye“. Auf dem eigenen YouTube Chanel finden sich einige schöne Videos, die Starts und Landungen aus dem Cockpit zeigen.

Nach viel Theorie folgt am besten auch die erste Praxis. Einige Flughäfen bieten Touren an. Die Gäste fahren mit einem Bus über das Rollfeld, kommen sehr nahe an die Flugzeuge und bekommen Abläufe erklärt. Auch eigene Fragen sind in der Regel möglich. Meine Tour habe ich am Flughafen Düsseldorf gemacht und kann sie jedem Flugängstigen empfehlen. Auch ein Abstecher zu einer Besucherterrasse am Flughafen ist eine gute Gelegenheit zur Annäherung.

Noch spannender ist der Bau eines Flugzeuges. Auf der Besichtigungstour bei Airbus in Hamburg bekommt der Besucher einen interessanten Einblick in den Flugzeugbau. Bei der geführten Tour geht es in die einzelnen Fertigungshallen. Aus nächster Nähe kann der Teilnehmer zusehen, wie Tragflächen montiert werden, Flieger noch ganz ohne Triebwerke die Hallen verlassen und wie akribisch beim Bau gearbeitet wird. Highlight der Tour ist die Strukturmontage und Ausstattungshalle der A380. Selbstverständlich können auch Fragen gestellt werden. Eine perfekte Gelegenheit, Ängste in Bezug auf Bauweise, Stabilität etc. anzusprechen und sich die Informationen aus erster Hand zu holen.

Der erste Flug – gute Vorbereitung ist alles

Wenn alle Informationen gesammelt, Ängste abgebaut und Wissen im Kopf angekommen ist, ist man im besten Fall bereit, einen Flug anzutreten. Besonders, beim allerersten Flug sind gewisse Vorbereitungen wichtig. Wer sich eine Airline des Vertrauens aussucht, hat schon von Grund auf ein positiveres Gefühl. Die Flugbewegungen spürt man am wenigsten auf den Plätzen in Höhe der Tragflächen. Um einen dieser Plätze sicher zu haben, empfiehlt sich eine Sitzplatzreservierung. Diese kann bei der Flugbuchung mit entsprechendem Aufpreis direkt gemacht werden. Um Hektik zu vermeiden, sollte genug Zeit eingeplant werden. Lieber ein wenig länger am Gate sitzen, als gehetzt ankommen. Wer offen für Entspannungsübungen ist, sollte sich eine favorisierte Methode im Vorfeld aneignen. Diese kann dann sowohl beim Warten auf das Boarding als auch später im Flugzeug durchgeführt werden. Es ist ratsam, das Flugpersonal über seine Ängste zu informieren. In der Regel gehen diese einfühlsam auf die Passagiere ein. Der beste Zeitpunkt ist nach Einnehmen der eigenen Plätze. Beim Einsteigen ist es oft zu hektisch dafür. Allerdings kann sich schon dort eine Situation ergeben, die Ängste für das Personal offensichtlich macht. Gut geschultes Personal sieht es dann ohne große Erklärung und kümmert sich direkt um diese Passagiere. Bei Lufthansa wurde sehr gut auf meine Angst beim Betreten des Fliegers eingegangen. Es folgte auch die Einladung ins Cockpit zu den Piloten. Diese Möglichkeit ist optimal und schafft ein weiteres Stück Vertrauen zum Flugpersonal.

Medikamente und Alkohol sind keine guten Helfer

Bleibt die Nervosität oder gar Angst, greifen viele zu Medikamenten. Hausärzte verschreiben teils sehr unkompliziert Mittel wie zum Beispiel Tavor. Von dieser Art der Angstbewältigung raten Piloten und auch Kabinenpersonal allerdings dringend ab. In der Luft wirken Medikamente oftmals anders als am Boden. Im schlimmsten Falle verstärken sie die Ängste der Passagiere noch. Ähnlich verhält es sich beim Konsum von Alkohol. Der Beruhigungsschnaps ist daher ebenfalls keine gute Option. Gegen naturbelassene Mittel wie Bachblüten oder Baldrian ist hingegen nichts einzuwenden. Sie können zur Beruhigung beitragen. Ansonsten lenkt Kaugummi kauen während des Fluges ab und vermindert zu dem noch den Druck auf den Ohren. Ein gutes Buch oder Musik können ebenfalls eine entspannende und beruhigende Wirkung haben. Ist der allererste Flug noch nicht angstfrei, sollte im Anschluss weiter an den Ängsten gearbeitet werden. Hierzu empfiehlt es sich, zu analysieren, was genau noch Unwohlsein oder Angst hervorgerufen hat. Welche Informationen sind noch nicht im Unterbewusstsein verankert und müssen noch mal vertieft werden?

Vielleicht geht es dem einen oder anderen Flugängstigen aber auch wie mir und er ist vom Fliegen fasziniert. In diesem Falle können die gesparten Kosten eines Seminars direkt in einen schönen Urlaub investiert werden und es heißt ab dann: „always happy landings“